Teilabbruch der ehemaligen Bärenschanzkaserne geplant

Lagebild:

In der Diskussion: Abriss von Roonstr. 22, Bärenschanzstr. 8a und 8c Copyright Bild: Google
In der Planung: Abriss von Roonstr. 22, Bärenschanzstr. 8c
Copyright Bild: Googlepräch am

Handreichung der Stadtbild Initiative Nürnberg zum

Pressegespräch am 31. Juli 2014, 11 Uhr,
zwischen den Gebäuden Bärenschanzstr. 8a und Roonstr. 22

Themen:
A. Erhalt des Ensembles Bärenschanze!
B. Gegen eine volkswirtschaftliche Vergeudung von Grund und Boden durch die bayerische Staatsregierung und wider eine Nicht-Respektierung kommunaler Planung durch bayeri-sche staatliche Behörden!

A.
Argumente
für eine Aufnahme des historischen Gebäudes Nürnberg, Bärenschanzstr. 8a als Einzeldenkmal in die Denkmalliste
und
für den Erhalt des Ensemblecharakters der noch bestehenden historischen Gebäude um das Kommandanturhaus (Bärenschanzstr. 8a, 8b, 8c)

1. Das historische Gebäude Bärenschanzstr. 8a (derzeit Amtssitz des Zentrums Bayern für Familie und Soziales)

1.1. Geschichtliche Bedeutung
Das Gebäude Bärenschanzstr. 8a ist heute zusammen mit seinen benachbarten historischen Bauten (Bärenschanzstr. 8b – Kommandanturhaus, 8c und 10 – Reithalle) ein letztes Zeugnis der früheren umfangreichen militärischen Anlagen vor den Toren der Stadt Nürnberg.
Schon vor dem zweiten Marktgrafenkrieg besaßen die Stadttore vorgelagerte Erdwerke. 1622 ließ die Reichsstadt Nürnberg ihre Vorstadt Gostenhof mit Wall und Graben sichern. Im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges versuchte der schwedische König Gustav II Adolf im Juli 1632vergeblich, die Vereinigung des kaiserlichen Heeres unter Wallenstein mit den bayerischen Truppen zu verhindern. Während Wallenstein sein Heer bei Zirndorf lagern ließ, besetzten die Schweden Positionen in und um Nürnberg. Zur Verteidigung der Stadt ließ Gustav Adolf vor der Stadt Verteidigungsanlagen errichten. So entstand die Bärenschanze als so genanntes Retranchement unter Zeugmeister Hans Carl. Die Schanzen bestanden bis 1820. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges baute die Stadt die Anlage um die Bärenschanze zur Kaserne um.

1.2. Künstlerische/architektonische Bedeutung
Das Gebäude Bärenschanzstr. 8a (Mannschafts- und Pferdehaus) wurde 1864 fertiggestellt. Es ist mit seinen bis zum Zweiten Weltkrieg erhaltenenTreppengiebeln an den beiden Seiten und über dem Treppenhaus ein für seine Zeit typisch historisierender Bau. Die historische Bausubstanz ist bis auf das zerstörte Dach im Wesentlichen erhalten, einschließlich der Pferdestallgewölbe im Erdgeschoss. Es ist der zentrale Bestandteil der wenigen noch erhaltenen Reste der alten Kasernenanlage.
Da das Dach aktuell in schlechtem baulichen Zustand ist und dringend renoviert werden muss, um das Gebäude vor einem Verfall zu bewahren, wäre es durchaus möglich, im Rahmen des Gebäudeerhalts es ohne große Zusatzkosten in der historischen Dachform (Treppengiebel an den beiden Seiten und über dem Treppenhaus) wieder aufzubauen bzw. in moderner Formensprache zu zitieren.

1.3. Städtebauliche Bedeutung
Abgesehen von seiner historischen Bedeutung stellt dieses Gebäude zusammen mit seinen historischen Nachbarbauten städtebaulich eine wichtige Insel innerhalb der in den letzten Jahrzenten durchgeführten Umgestaltungen dieses Gebietes dar. Es ist ein architektonischer Blickfang und Kontrast, mit seinen Grünanlagen ein kleiner Ruhepol und eine Aufforderung zum Nachdenken über die mehr oder eher weniger geglückten Verformungen in der Nachbarschaft über die Zeit hinweg.

2. Erhalt des Ensemblecharakters der noch existierenden historischen Gebäude um das Kommandanturhaus
2.1. Geschichtliche Bedeutung
Der monumentale Bau der ehemaligen Kavallerie-Kaserne Bärenschanzstraße 8a und der Nebengebäude ist, neben dem denkmalgeschützten 1721 errichteten ehemaligen Kommandantenhaus und der inzwischen für Wohnzwecke umgestalteten Reithalle der letzte Rest der Gostenhof/Kleinweidenmühle einst stadtbildprägenden Militärarchitektur.
Schon seit der Anlage des massiven Schanzwerks der Bärenschanze ab 1632, die zwar bereits um 1820 beseitigt wurde, deren Ausmaß durch die Gebäudelinien der zur Disposition stehenden Häuser 8a und 8c aber noch bis heute erkennbar ist, errichtete hier die Reichsstadt und später das Königreich Bayern einen ausgedehnten Kasernenkomplex, der als solcher bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges belegt war.
Von den 1848 bis 1890 in verschiedenen Bauabschnitten erstellten Gebäuden sind inzwi-schen die meisten verschwunden. So zum Beispiel die Reste der Kulturfeldkaserne, deren Remisenreihe erst vor kurzer Zeit einer Gewerbe- und Wohnbebauung weichen musste, das Garnisonslazarett und die Kasernenzeile an der Reutersbrunnenstraße. Besonders bedauerlich ist auch der ebenfalls erst in jüngster Zeit erfolgte Abriss der ehemaligen Offiziersspeiseanstalt an der Bärenschanzstraße, an dessen Stelle nun ein Parkhaus steht. Der Erhalt der klassizistischen Reithalle wurde zwar gewährleistet; durch den Umbau zu Eigenheimen hat das Gebäude allerdings nicht gerade gewonnen.

2.2. Städtebauliche Bedeutung
Das heutige „Ensemble“ Bärenschanze liegt ziemlich genau in der Mitte der ur-sprünglichen historischen Schanzanlage aus dem Dreißigjährigen Krieg und nimmt dabei tatsächlich auch einen größeren Teil der alten Schanzanlagenfläche ein. Es präsentiert somit den histori-schen Hintergrund in gewisser Weise auch heute noch. Eine angemessene Umgestaltung der Randbauten des im Zusammenhang mit den aktuellen Neubauplanungen des ZBFS (Entfernung des Parkhauses, Anpassung der Fluchtlinien des Neubaus) sollte die Grundfor-men der alten Schanzanlage wieder aufgreifen und damit die städtebauliche Bedeutung dieses Ensembles verstärken.

3. Schlussfolgerungen: Etappen der Stadtgeschichte – Neue Stadtkultur – Urbane Potentiale
Es ist deshalb das Anliegen der Stadtbildinitiative Nürnberg, den letzten Rest der erhaltenen ehemaligen Militärgebäude in ihrer auch heute noch beeindruckenden Größe als Ganzes erhalten zu wissen, um an ihnen wichtige Etappen unserer Stadtgeschichte ablesbar bleiben zu lassen. Es wäre geradezu ein Treppenwitz, wenn ausgerechnet das Land Bayern seine baulichen und historischen Spuren in der Nürnberger Stadtgeschichte zu beseitigen trachtet, noch dazu um an deren Stelle nichts anderes als ein weiteres Parkhaus errichten zu wollen.
Die vom Abriss bewahrten Gebäude des Ensembles Bärenschanze zeugen von der sich verändernden Stadtkultur, in der die Wertschätzung historischer Gebäude, des städtischen Grüns und das Bedürfnis nach Begegnungsräumen zunehmend die „Totale Autogesell-schaft“ ablösen.
Diese Erfahrung ermutigt auch unsere Stadtbild-Initiative, sich hier nicht nur für den Erhalt einzelner Gebäude, sondern für den besonderen Wert des gesamten Ensembles und seine bis heute noch wenig erschlossenen urbanen Potentiale einzusetzen. Allerdings scheint der Wert dieses Ensembles den Behörden noch nicht bewusst, da das Einklemmen der „geretteten“ Denkmäler zwischen Parkhäusern deren Aufwertung nicht zuträglich sein wird.

B. Gegen eine volkswirtschaftliche Vergeudung von Grund und Boden durch die bayerische Staatsregierung und wider eine Nicht-Respektierung kommunaler Planung durch bayerische staatliche Behörden: Chancen für ein exemplarisches fränkisch-bayerisches Projekt?

Immerhin konnte bisher schon durchgesetzt werden, dass das zwar nicht denkmalgeschützte, aber doch denkmalwürdige Gebäude Bärenschanzstr. 8a nach den jüngsten Aussagen des für dieses Objekt verantwortliche Staatliche Hochbauamt Erlangen-Nürnberg erhalten bleiben wird.
Dagegen soll das Gebäude Bärenschanzstr. 8c abgerissen und an seiner Stelle ein Parkhaus errichtet werden (siehe vorher). Über diese definitive Entscheidung der bayerischen Regierung und seines Staatlichen Hochbauamtes wurde der Baukunstbeirat auf seiner Sitzung am 10. Juli 2014 von der Stadtverwaltung informiert.
Die Stadtverwaltung hat bei diesen Planungen keine Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, da der bayerische Staat aufgrund der Rechtslage Planungen gegen die Kommune durchsetzen kann. OB Dr. Maly hatte deswegen am 27.1.2014 in einem Schreiben an Finanzminister Dr. Söder gebeten, die Planungen zu dem Neubau des ZBFS noch einmal zu überprüfen und insbesondere auch den Bau einer Tiefgarage in Erwägung zu ziehen, um auf diese Weise einen Erhalt des Ensembles zu ermöglichen. Finanzminister Dr. Söder hat dieses Schreiben an die für das ZBFS zuständige Arbeitsministerin Müller weitergegeben, mit der Maßgabe, dass eventuelle Einsparungen durch eine andere Bebauung (Tiefgarage anstelle von Parkhaus und dadurch erzielbare Veräußerungserlöse) nicht projektbezogen zur Verfügung stünden. StMinisterin Müller hat dies in ihrem Antwortbrief vom 2.5.2014 an Dr. Maly ausdrücklich erwähnt.
Ein solches engstirnig haushälterisches Verhalten des Finanzministeriums widerspricht allen vernünftigen volkswirtschaftlichen Überlegungen. Wertvolle innerstädtische Bauflächen werden auf diese Weise vergeudet. Der bayerische Staat würde durch eine andere Bebauung (Tiefgarage und Überbauung durch Wohn- und/oder Büroflächen) letztlich Einnahmen erzielen, die deutlich über die engeren Mehrkosten einer Tiefgaragenerrichtung hinausgingen und insgesamt günstiger wären als eine Parkhausbebauung.
Wir appellieren daher an Herrn Finanzminister Dr. Söder, das volkswirtschaftlich sinnlose Verhalten seines Hauses in solchen Fragen zu ändern und hier auch andere Möglichkeiten als nur auf den ersten Blick billigeres Bauen von Parkhäusern zuzulassen.
Das in Nürnberg neu etablierte Heimatministerium könnte hier außerdem am authentischen Ort den vorbildlichen Umgang mit fränkisch-bayerischer Militärgeschichte vor Augen führen und zeigen, was „behutsame Stadterneuerung“ im Ensemble und/ oder „kritische Rekonstruktion“ des Gebäudes (z.B. den Giebel betreffend) im Kontext der Erinnerungskultur leisten kann. Die noch vorhandenen baulichen Zeugnisse des Militärareals dokumentieren trotz diverser Verbauungen die Entwicklung der ehemaligen Garnisonsstadt Nürnberg vom Dreißigjährigen Krieg bis zum 19. Jahrhundert.
Eine eventuell sinnvolle Tiefgaragenlösung wäre an der Ecke Roon-/ Bärenschanzstraße möglich. Dies würde dann auch den Abriss des derzeitigen privaten (und etwas marode erscheinenden) Parkhauses an der Bärenschanzstraße mit sich bringen, das derzeit den Blick auf das Gebäude Bärenschanzstr. 8a verwehrt. Dazu müsste aber eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Bauträgern erreicht werden. Hier wiederum könnte die Stadtverwaltung hilfreich moderieren.
Mit den Planungsänderungen während der vergangenen Monate wurde zugleich ein Dilemma deutlich. Zwar wurde der geplante Abriss revidiert, der Bau des Parkhauses jedoch nur verschoben und auf das Gelände des daneben zum Abriss freigegebenen Gebäudes 8c verlagert. Die „geretteten“ Gebäude stünden dann eingeklemmt zwischen Parkhäusern. Damit wäre das gesamte Ensemble zerstört. Da hier möglicherweise aus Unkenntnis der örtlichen Lage , aber auch eindeutig gegen kommunale Interessen Maßnahmen beschlossen wurden, die sich gegenseitig ad absurdum führen, besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich einer Neuregelung der Zuständigkeiten zwischen Kommunen und Staatsregierung. Der Bayerische Städtetag und die Landtagsfraktionen müssten hier dringend aktiv werden.

Bilder, Karten, Baupläne

Historische und aktuelle Planauszüge

Ausgewählte historische Bilder:

Spittlertorgraben mit Bärenschanzkaserne im Hintergrund 1865,  aus: Schmidt, Ferdinand, Nürnberg 1865 – 1909, Hrsg. vom Centrum für Industriekultur, München 1987
Spittlertorgraben mit Bärenschanzkaserne im Hintergrund 1865,
aus: Schmidt, Ferdinand, Nürnberg 1865 – 1909, Hrsg. vom Centrum für Industriekultur, München 1987

Ausgewählte aktuelle Bilder: