Hauptpost – Geschichte und Architektur im Überblick

Baugeschichte

  • Vorgängerbebauung: historistischer Vorgängerbau
  • Planung: Bauabteilung der Reichspost – Johann Kohl (Leitung), mit Friedrich Deyerl, Wilhelm Erhard und Walter Kreb, 1931:
    • neungeschossiger Stahlskelettbau mit Vorhangfassade (Gestaltung bis 1933 nicht abschließend beschlossen) und gläsernem Aufzugsschacht; kubische Gesamtform, Fassade in großen Fensterflächen geöffnet, Flachdach
    • Gestaltung im Sinne der Neuen Sachlichkeit, konkreter: in der Tradition der bayerischen „Postbauschule“ (Robert Vorhoelzer u.a.)
    • Entwurf von Kohl et al. im Stadtrat umstritten, jedoch z. B. bei Baureferent Walter Brugmann zunächst und Gutachter Paul Bonatz hochgelobt (u.a. wegen städtebaulicher Bedeutung und Leichtigkeit der Konstruktion als Kontrapunkt zur sandsteinsichtigen Stadtbefestigung)
  • Wettbewerb (im Preisgericht u.a. Ludwig Paul Troost ) zur Fassadengestaltung 1933 auf Drängen von Gauleiter Julius Streicher,  1. Preis an Max Kälberer, ausgeführt mit Genehmigung Streichers im Sinne der „Neuen Deutschen Baukunst“ als Teil der Kampagne der „Abrechnung mit dem ‚Neuen Bauen’“ (Christian Koch, vgl. auch Abbruch des Planetariums am Rathenauplatz):
    • Verkleidung mit Natursandsteinplatten (bereits 1930 im Stadtrat vorgeschlagen); Anmutung eines Massivbaus (statt transparenter, die Grundstruktur zu erkennen gebender Bau im Sinne der Neuen Sachlichkeit)
    • Umarbeitung der Erdgeschossfenster zu Arkaden
    • Walmdach (statt 1933 bereits aufgerichtetem Dachgeschoss und Flachdach
    • Änderung der Fensterteilung (Kreuzteilung statt Vertikalteilung
    • eckseitige Konsole mit Reichsadler und Wappensteine unter der Traufe
  • Bauzeit: 1931-1935 (Fassade: 1934 zum Reichsparteitag vollendet)
  • im 2. Weltkrieg bei Bombenvolltreffer Dach durchschlagen, Inneres ausgebrannt
  • Wiederaufbau:
    • Entfernung der ideologisch belasteten Reliefs und der Adlerfigur
    • Am Außenbau Mischung von Gestaltungselementen des Vorkriegszustands (Kälberer) und des Ursprungsplans (Kohl et al.), u.a. Fensterteilung
  • in den 2000ern Antrag auf Aufnahme in die bayerische Denkmalliste abgelehnt.

Würdigung

Städtebaulich

  • städtebauliche Dominante, Torsituation zur östlichen Bahnhofstraße
  • turmartiges „Punkthochhaus“ („Hochhaus“ nach Maßstäben der Erbauungszeit; ehem. korrespondierend mit Hotel Württemberger Hof, jetzt Diehl-Hochhaus und Königstorturm gegenüber, vgl. auch Karl-Bröger-Haus) – wurde zur Bauzeit von Kritikern als Konkurrenz zum Königstorturm wahrgenommen
  • Abtrennung/Einfriedung des Bahnhofsplatzes
  • Sandsteinverkleidung: materielle Bezugnahme auf Umgebungsbebauung (Hbf., Stadtmauer und Königstor, Grand Hotel und American Hotel, ehem. Verbindungsbau zum Rundbau)
  • Arkatur im Erdgeschoss; teiltransparente Öffnung zum Platz-/Straßenraum, Übergang zwischen innen nach außen
  • bildet bzw. bildete mit Nachbargebäuden (Rundbau, Halle, Zwischentrakt, Bahnhof) ein städtebauliches (ehem. auch funktionales) Ensemble

(Architektur-)Historisch

  • stadtbildprägendes Bauwerk der NS-Architektur
  • Nürnberger Erinnerungsort
  • Zeugnis der Stadtgestaltung zwischen Weimarer Republik, NS-Zeit und Wiederaufbau und dem schwierigen Manövrieren der Nachkriegsära zwischen Anknüpfen an Erbe der NS-Architektur und Rückbesinnung auf das Bauhaus

Zu den Architekten:

Johann Kohl (1874-1941)

  • 1920-1939: Oberpostbaurat, Leiter der Oberpostdirektion
  • Werke u.a.: Postscheckamt Laufertorgraben, 1923-1925; Poststadt, Allersberger Straße, 1927-1930 (Baudenkmal)

Max Kälberer (1892-nach 1959)

  • zeitweise in Sozietät mit Carl Brendel (Pionier des Stahlbetonbaus, u. a. Entwerfer der alten Kath.-Apostolischen Kirche in Wöhrd)
  • Werke: Auferstehungskirche, Fischbach, 1932-1933 (mit Brendel); Lutherkirche, Hasenbuck, 1935; Markuskirche, Gibitzenhof, 1954

Quellen & Literatur

  • Stadtarchiv Nürnberg (StadtAN), C 20/V Nr. 14899, 14900.
  • Bernd Windsheimer/Alexander Schmidt/Martin Schieber: Architektur Nürnberg. Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Wiederaufbau. 2. Aufl. Nürnberg 2007. S. 86-87.
  • Alexander Schmidt: Kultur in Nürnberg 1918-1933. Die Weimarer Moderne in der Provinz. Diss. Erlangen 2004. Nürnberg 2005. S. 247-249.
  • Helmut Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz. Architektur des Untergangs. Wien 1998. S. 705.
  • Bauen in Nürnberg 1933-1945. Architektur und Bauformen im Nationalsozialismus. Hrsg. von Helmut Beer/Thomas Heyden/Christian Koch u.a. Ausst. Nürnberg 1995 (Ausstellungskataloge des Stadtarchivs Nürnberg, 10). S. 17-18, 35-37.

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