Kommentar: Wie wichtig sind uns Denkmäler?

Wie wichtig sind uns Denkmäler? Und: Gilt der Denkmalschutz für Groß und Klein?
Einige Gedanken zur aktuellen Situation in Nürnberg

Die jüngsten Ereignisse in unserer Stadt machen den aufmerksamen Beobachter stutzig. In der ersten Jahreshälfte 2014 sind bereits zwei Baudenkmale verschwunden: Zum einen das Bahnverwaltungsgebäude Bahnhofstraße 40 von 1907 und zum anderen das Alte Landeskirchliche Archiv in der Veilhofstraße von 1955, einer für Nürnbergs Baugeschichte besonders bedeutungsvollen Ära. Bei beiden Gebäuden handelte es sich um Einzeldenkmale, die eigentlich höchsten Schutz des Gesetzes genießen sollten. Besteht Grund zur Sorge?

Andererseits: Etwa zur gleichen Zeit hat der Denkmalschutz die Besitzerin des Anwesens Schnepfenreuther Hauptstraße 65 getroffen, die ihr Haus aus dem 16. Jahrhundert modernisieren wollte, hier aber etwas ungestüm zur Tat schritt: Als die Denkmalschutzbehörde hiervon erfuhr, erfolgten Anordnungen zum Rückbau, und sogar von einer Geldstrafe war in der Presse zu lesen. Dabei spielten die finanziellen Interessen der Besitzerin eine untergeordnete Rolle. Als Eigentümer kann man gut mitfühlen, wenn auch das Handeln der Denkmalbehörde hier nicht nur richtig, sondern auch notwendig war. Der Denkmalschutz ist allerdings noch immer ein Schreckgespenst für viele Hausbesitzer und Immobiliensuchende. Es wird kolportiert, dass man als Besitzer eines Denkmals seine Raumverhältnisse keinesfalls verändern dürfe: Eine weitere Steckdose oder ein neuer Fußboden, ganz zu schweigen von neuen Fenstern oder einem Balkon im Innenhof – all dies sei bei Denkmalschutz ein behördenmäßiger Spießrutenlauf, wenn nicht sogar unmöglich.

Wie ist das Vorgehen bei der Veilhofstraße und in der Bahnhofstraße dann zu bewerten? Hier ging es schließlich nicht um neue Fenster, sondern binnen weniger Tage sind die Gebäude komplett dem Bagger zum Opfer gefallen. Für den interessierten Bürger war hier allerdings keine Reaktion der Denkmalbehörde zu vernehmen. Oder waren die Gespräche bereits vorher unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Verborgenen gelaufen? Gilt hier unterschiedliches Recht? Ist der Abriss eines Denkmals einfacher zu erreichen als eine Änderung am Bestand? Welche Schlussfolgerungen sind für den Bürger hieraus zu ziehen?

Fakt ist: Denkmäler sind wissenschaftlich qualifiziert und durch Gesetz geschützt. Das Gesetz entstand deshalb, da es ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und der Pflege von Kulturgut gibt. Es ist im Interesse des Allgemeinwesens. Von daher war das Durchgreifen der zuständigen Behörde im Falle der Schnepfenreuther Hauptstraße 65 richtig. Doch wie kann dann das Landeskirchliche Archiv in der Veilhofstraße so schnell verschwinden? Und warum so plötzlich? Welcher Diskurs auch immer zur Entscheidung gegen das Denkmal geführt hat, er wurde Abseits der Öffentlichkeit geführt und hat den Abriss der Denkmäler bedeutet. Doch mit welchen Begründungen? Sind hier Interessen wirksam geworden, die mächtiger waren als die öffentlichen Interessen? Warum hat darüber keine Information stattgefunden? Gerade gesetzlich geschütztes Interesse braucht Öffentlichkeit, und die transparente Auseinandersetzung damit. Denn Öffentlichkeit ist auch ein Stück Demokratie. Entscheidungen, die zum Abbruch eines Denkmals führen, müssen besonders sorgfältig begründet sein, um akzeptiert zu werden. Der Eigentümer einer denkmalgeschützen Kleinimmobilie ist vor dem Gesetz doch genauso zu behandeln wie ein Großinvestor. Dem Anbau eines Balkons steht das gleiche Interessen gegenüber, das auch dem Abbruch einer ganzen Häusergruppe gegenüber steht: Öffentliches Interesse, nämlich die Bewahrung und Pflege von Geschichte und Identität. Wohin führt es, wenn man nur mächtig genug sein muss, um gesetzliche Rege-lungen biegen zu können, oder wenn man nur schnell genug zur Tat schreiten muss, um zuständige Behörden handlungsunfähig zu machen? Welche Bedeutung hat dann noch das öffentliche Interesse und das Gemeinwesen für jeden Einzelnen von uns? Gleiches Recht hat für alle zu gelten, auch im Bauwesen. Die Gestalt und die Gestaltung unserer Stadt liegen in unser aller Interesse, und kann daher nicht genug durch Transparenz, Öffentlichkeit und Diskussion gepflegt und weiterentwickelt werden. Hierfür setzen wir uns ein!

Nürnberg, September 2014
Boris Leuthold