Pinselfabrik ist Geschichte

Die letzten Reste der Pinselfabrik verschwinden (© Heike Hein, 2015).
Die letzten Reste der Pinselfabrik verschwinden (© Heike Hein, 2015).

Die ehemalige Pinselfabrik in der Veillodterstraße 1 ist vernichtet. Seit Juni wurde das 1861 errichtete historische Industriegebäude Stück für Stück zerstört. Auch der letzte verbliebene Rest des alten Baumbestandes wird beseitigt. Die Zukunft wird zeigen, ob die Bauherrin Bauhaus Liebe & Partner der Aufgabe gewachsen ist, einen ansatzweise adäquaten Nachfolgebau an Stelle der Pinselfabrik zu errichten. Die bisher bekannten Plänen und Visualisierungen geben jedoch keinen Anlass zur Hoffnung (siehe Prospekt des Bauträgers, PDF).

Die Proteste der Bürgerinitiative „Erhalt der Pinselfabrik“ haben den Abbruch nicht verhindern können, doch hat der große Widerstand der Anwohner gezeigt, dass das Interesse am Erhalt historischer Bauten wächst. Dies ist ein positives Zeichen, auch wenn es für die Pinselfabrik zu spät kommt. Durch unüberlegte Abbrüche und lieblos geplante Neubebauung, die einzig nach Maßgabe größtmöglicher Rendite geschieht, verliert Nürnberg mehr und mehr an Charakter. Können wir es uns leisten, nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und den Sanierungswellen der Nachkriegszeit noch mehr von unserer städtebaulichen Geschichte zu opfern? Wir sagen: Nein. Denn was bringt den Bewohnerinnen und Bewohnern ein Umfeld, in dem sie nicht mehr leben wollen?

Bürgerinitiative „Erhalt der Pinselfabrik“ gegründet

Die neue Bürgerinitiative, die die ehemalige Pinselfabrik in der Veillodterstraße 1 erhalten möchte, hat sich offiziell gegründet. Lesen Sie hier den aktuellen Bericht aus dem Stadtanzeiger Nord der Nürnberger Nachrichten (das im Artikel angegebene Baujahr ist falsch – es muss „1861“ heißen, nicht „1981“):

BI Pinselfabrik NN Anzeiger Nord 18.3.2015
Quelle: Nürnberger Nachrichten

Die letzte ihrer Art im Viertel

Die Pinselfabrik Veillodterstraße 1 soll hochverdichteter Neubebauung weichen

Maximale Nachverdichtung
Hohe Bäume, Vorgärten und lichte Weite prägten einst die Veillodterstraße und ihr Umfeld. Die von hohen Bäumen und einem dekorierten Gusseisenzaun umsäumte ehemalige Pinselfabrik an der Ecke Veillodter- und Lindenaststraße ist nahezu alles, was von diesem Vorortidyll übrig blieb. Das zweigeschossige Gebäude mit Walmdach ist von der Straße zurückgesetzt. Mit seinem Garten ist es eine grüne Insel der alten Zeit inmitten der Häuserschluchten der Nachkriegszeit.

Doch die Pinselfabrik und ihr Garten sollen weg. Der derzeitige Eigentümer möchte mit einem Neubau, der unter dem nicht gerade bescheidenen Namen „Max Palais“ firmiert, kräftig nachverdichten. Die enge Bebauung der Nachkriegszeit von nebenan soll bis an die Veillodterstraße herangezogen werden. Ein gewaltiger, viergeschossiger Block mit hohem Dach und scharfer Kante zur Straßenkreuzung soll entstehen, wo jetzt noch ein historisches Haus und hohe Laubbäume stehen. Die unbedachte Nachverdichtung der Nachkriegszeit soll fortgesetzt und der letzte Rest der einst lockeren Bebauung vor diesem Abschnitt der Nürnberger Stadtmauer gewinnbringend bis zum Letzten ausgenutzt werden. Das ist aus Sicht des Investors verständlich. Aber ist es für dieses Viertel, für seine Bewohner, für das Stadtbild auch sinnvoll und vertretbar?

Insel der Gründerzeit
Die Pinselfabrik ist eines der ersten Bauwerke vor den Mauern der Altstadt. Sie entstand 1861, Jahre bevor die Nordstadt durch den Wegfall der Festungseigenschaft Nürnbergs planmäßig erschlossen werden konnte. Sie gehört zu den letzten Gebäuden, die an die bedeutende Nürnberger Industriekultur der Gründerzeit im Viertel erinnern. Die anderen – Schwanhäußer Stabilo, Staedtler und viele mehr – sie alle sind längst in die Vororte abgewandert, ihre Bauten verschwunden.

Die Pinselfabrik ist das einzige Gebäude der Veillodterstraße, das die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überlebt hat. Der Bauträger wirbt in seinem Prospekt mit dem Charme des Viertels, das durch „großzügige Bürgerhäuser mit phantasievoll dekorierten Fassaden“ geprägt sei. Wie passt das mit der Absicht zusammen, ausgerechnet das letzte noch verbliebene historische Haus des Straßenzugs abreißen zu wollen?

Dringend benötigter Wohnraum?
In Nürnberg werden Wohnungen gebraucht. Vor allem Familien mit Kindern der mittleren Einkommensklassen suchen derzeit bezahlbaren Wohnraum. Wer glaubt, in der Veillodterstraße 1 entstünde durch den geplanten Neubau Wohnraum für die, die ihn am meisten brauchen, der irrt: Ortsfremde Kapitalanleger ohne Bezug zum Viertel, die über 4.500 Euro für den Quadratmeter netto kalt bezahlen – das sind über 1.000 Euro über dem Nürnberger Durchschnitt – erwarten selbstverständlich hohe Mieteinnahmen. Hier entsteht Wohnraum für reiche Kundschaft in einem „In-Viertel“.

Mit der Pinselfabrik in der Veillodterstraße droht ein weiteres Stück Nürnberger Vorortidylls für immer zu verschwinden. Kann sich Nürnberg nach den Zerstörungen des Krieges und der Nachkriegszeit solche Verluste noch länger leisten? Wir von der Stadtbild-Initiative sagen: Investitionen in neuen Wohnraum sind gut und richtig. Aber: Wenn wir weiterhin achtlos alles wegreißen, was sich vermeintlich „nicht rentiert“, wird unsere Stadt ihren Lebenswert nach und nach verlieren. Das Umfeld, in dem wir leben, gehört uns allen. Es ist wichtig für unser Wohlbefinden und unsere Identität. Und es ist bares Geld wert, denn nur, wo es schön ist, da wollen Menschen gerne leben und für ihren Wohnraum bezahlen. Warum also die Pinselfabrik in der Veillodterstraße nicht restaurieren? Warum nicht statt Hochverdichtung Wohnraum schaffen, der zwar weniger Rendite bringt, aber dem Stadtbild eine Augenweide bewahrt? Möglich wäre es.

Bilden Sie sich selbst eine Meinung und sehen Sie sich die bisherige Planung des Bauherrn an: http://www.bauhaus-bautraeger.de/fileadmin/files/Expose/150128_Maxpalais-Expose_ansicht.pdf

Pinselfabrik soll „Max Palais“ weichen

Neubauplanung auf dem Gelände der ehemaligen Pinselfabrik in der Veillodterstraße 1

Es liegt ein Exposé für die Neubauplanung vor. Diese Art von Bauwerk ist gerade wegen der unmittelbaren Nachbarschaft von Stadtmauer, Burggraben, denkmalgeschützten Häusern und Bauten aus den 1950-er und 1960-er Jahren sehr skeptisch zu betrachten. Auch die mit dem Bau verbundene starke Vedichtung in diesem Gebiet dürfte problematisch sein.

Die Webseite des Bauträgers vermittelt einen Vorgeschmack auf den geplanten Neubau. (Anmerkung: Ursprünglich wollten wir die Visualisierung des geplanten Neubaus in diesem Beitrag zeigen. Der Bauherr Bauhaus Liebe & Partner hat uns dies jedoch nicht gestattet. Wir respektieren diesen Wunsch, fragen uns aber, wie überzeugt der Bauherr von seinem eigenen Projekt ist.)

Abriss der Pinselfabrik droht

Von der ehehemaligen Pinselfabrik (Veillodterstraße 1) gleich an der Stadtmauer blieb lediglich das Büro-und Wohngebäude stehen, das allerdings im Krieg völlig ausbrannte. Dennoch sind die ursprüngliche Kubatur und die erhaltene Fenstergliederung ausgesprochen erfreulich anzusehen. Mit seinem Doppeltreppenaufgang, der Lage im Wallhang und dem gepflasterten Hof ist es eine Insel zwischen den Gebäuden der Umgebung. Es ist das in diesem Bereich der Stadtmauer bzw. des Burggrabenwalls  einzig erhaltene Gebäude der früheren Bebauung. Derzeit ist es noch voll belegt durch Architekurbüros und andere Dienstleister. Außerdem sind dort Werk- und Seminarräume des Theaters Pfütze untergebracht.