Aus für die „Goldene Krone“

Vom typischen Charakterhaus zur Standardfassade

Vor über einhundert Jahren, im Jahr 1909, erscheint in den Adressbüchern erstmals das Gasthaus „Goldene Krone“ in der Schloßstraße 31 zu Gleißhammer. Damals befand es sich im Besitz der Fuhrwerksbesitzers David Friedrich. 1912 bewirtschaftete es Georg Jäckel und nach ihm Friedrich Mändel. Das Haus, in dem sich die Gaststätte befand, stand damals schon viele Jahre – mindestens seit 1899, dem Jahr, in dem Gleißhammer nach Nürnberg eingemeindet wurde, das sich im Zuge der Industrialisierung mehr und mehr über seine einstigen Grenzen hinaus ausbreitete. Bauherr war vermutlich Zimmerermeister Georg Luber, der 1902 als Eigentümer nachweisbar ist.

Der namentlich nicht bekannte Planfertiger schuf für Luber ein typisches Vorstadthaus mit zwei Vollgeschossen und einem hohen Mansarddach, in dem bei ausreichender Raumhöhe zusätzlicher Wohnraum untergebracht werden konnte. Im Hofbereich hinter dem Wohn- und Gasthaus entstanden zusätzlich mehrere Rückgebäude, vermutlich Werkstätten und Lagerflächen. Bis 2014 blieb die Fassade des Hauses an der Schloßstraße mit ihrer einfachen, aber wirkungsvollen Gliederung in Formen des Klassizismus mit Traufgesims, Blendfeldern, profilierten Fensterrahmungen und einem Portal aus Haustein weitgehend erhalten.

Nach dem Aus für das Gasthaus „Goldene Krone“ und der Nutzungsänderung zum reinen Wohngebäude ist der neue Bauherr nun jedoch drauf und dran das historische Erscheinungsbild des Hauses zu ruinieren: Die Fassade zur Schloßstraße wurde bereits mit dicken Wärmedämmplatten versehen, unter denen die klassizistischen Fensterrahmungen und das Traufgesims verschwunden sind. Nun ist das Haus von einem eintönigen Mantel aus Polystyrol umgeben, der die ursprünglichen Proportionen und das fein abgestimmte Fassadenrelief zerstört hat. Mehr noch, neben den historischen Nachbarhäusern, die ihr Erscheinungsbild der Jahrhundertwende weitgehend erhalten haben, wirkt das Haus Schloßstraße 31 nun wie ein Fremdkörper. Der bis zuletzt trotz großer Kriegsverluste recht anschaulich überlieferte Charakter der Vorstadtstraße mit ihren Gründerzeitbauten hat schweren Schaden genommen.

Ein solch unsensibler Raubbau an einem der ältesten Gebäude der ganzen Straße im Besonderen und dem Straßenbild insgesamt zeigt, welch irreparablen Schaden die einseitige Schwerpunktsetzung auf Energieeffizienz dem Stadtbild zufügen kann. Welchen Sinn hat ein bauliches Umfeld, das zwar vermeintlich Energiekosten spart und den CO2-Ausstoß verringert, dafür aber den Wohnwert durch monotone Fassadenflächen und konfektionierte Baustoffe ohne Individualität und Geschichte vernichtet? Eine „schöne neue Welt“ in der Monotonie knallbunt gestrichener Häuserfronten mit Wärmeverbundsystem wird die identitätsstiftende Vielfalt eines historisch gewachsenen Straßenbildes nie ersetzen können. Auch das historische Wirtsanwesen „Goldene Krone“ hätte eine sensiblere Behandlung verdient.

Fortsetzung folgt (Endzustand).

2 thoughts on “Aus für die „Goldene Krone“

  • 13. März 2022 um 14:02
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    Hallo, ich bin in dem Haus, Schlossstr. 31, 1950 geboren. Meine Eltern und ich haben zusammen mit Oma und Opa Seitz in der Wohnung im 1. Stock gewohnt. Oma und Opa zogen dann noch in den 50zigern in die Pfründner Straße, was eine Stiftung von der Stadt war.
    Das Haus in der schlossstr. hatte den Gebrüdern Friedrich gehört. Die einen waren unsere unmittelbaren Nachbarn. Einer der Brüder war Architekt und hat im Haus nebenan gewohnt. Die Gaststätte wurden von dem dritten Bruder betrieben, der mit mir am 3. Jan. Geburtstag hatte, Vorname ? Emil? Die hatten auch einen Sohn, ebenfalls die Friedrichs nebenan. Im 1. und 2. Stock haben jeweils 3 Familien gewohnt. Auch die anderen Familien hatten Kinder, allerdings alle älter als ich, ich glaube insgesamt 5 Jungs im Haus
    Der Hinterhof hatte eine Schreinerei mit Wohnung oberhalb. Die hatten eine Tochter. Auf der anderen Seite war ein kleines Haus und die Waschküche drin. Der Raum wurde dann aber vom Gastwirt benutzt, um im Sommer das Eis zu lagern. Die Fenster im Haus hatten Fensterläden für den Winter, da konnte man dann auch mal Lebensmittel kalt stellen.
    Alle meine Ahnen sind am Petersfriedhof begraben. Ich habe die Adresse erst durch Zufall gefunden, war von 1972 bis 2016 nicht in Nürnberg, nur zu Besuch.
    Mein Mädchenname ist Seitz, ich weiß dass mein Vater und auch Opa vom Gleisshammer waren.
    Grüße Inge Weber

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    • 17. März 2022 um 15:09
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      Sehr geehrte Frau Weber, haben Sie vielen herzlichen Dank, dass Sie Ihre persönlichen Erinnerungen an das Gebäude und die Schloßstraße mit uns geteilt haben! Es ist immer schön, die Gebäude, mit denen wir uns befassen, aus den Erinnerungen von Bewohnerinnen und Bewohnern neu kennenzulernen. Das macht in diesem Falle den Verlust des Gebäudes bzw. seiner ursprünglichen Fassaden noch bedauerlicher. Herzliche Grüße! Sebastian Gulden (Stadtbild-Initiative Nürnberg)

      Antwort

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