Bauhaus vor dem Aus

Nürnberg, Bewerberin für die Europäische Kulturhauptstadt 2025, droht eines ihrer letzten Monumente der klassischen Moderne zu verlieren.

Das Jahr 2019 steht unter dem Motto „100 Jahre Bauhaus“. Ganz Deutschland, von der Metropole bis zur Kleinstadt, poliert seine Schätze der Architektur der 1920er und 1930er Jahre auf und feiert einen Meilenstein der jüngeren Architekturgeschichte. Ganz Deutschland? Nein. In Nürnberg steht dieser Tage – nicht zum ersten Mal – einem Zeugnis der Neuen Sachlichkeit der Abbruch bevor. Und das mitten im Bewerbungsmarathon für die „Europäische Kulturhauptstadt 2025“!

Die Rede ist von dem 1930 bis 1931 errichteten Verwaltungsgebäude des Fränkischen Überlandwerks (FÜW) in der Hainstraße 32/34 nahe dem Platz der Opfer des Faschismus. Der Architekt Hans Müller (1864–1951), Erbauer der Tucher-Brauerei an der Schillerstraße und des Hotels Deutscher Hof, und sein Schwiegersohn Karl Kröck (1897–1970) waren keine Unbekannten unter Nürnbergs Baukünstlern.

Das Verwaltungsgebäude des Fränkischen Überlandwerks an der Hainstraße 32/34 bei seiner Vollendung im Jahr 1931. Foto: unbekannt

Neben der Frauenklinik des Klinikums-Nord, dem Verwaltungsbau des Milchhofes und dem Telegrafenamt der Poststadt an der Allersberger Straße, dem Karl-Bröger-Haus, das ebenfalls von Müller und Kröck entworfen wurde, ist das FÜW eines der wenigen noch erhaltenen Beispiele des Bauhauses in Nürnberg. Alle anderen – das Planetarium am Rathenauplatz, die übrigen Betriebsbauten des Milchhofs, das Kaufhaus Schocken und der Kopfbau der Hauptpost – sind Krieg und Abrissbirne zum Opfer gefallen. Eine ganze Epoche der Architekturgeschichte droht aus dem Bild unserem Stadtbild für immer zu verschwinden.

Die KIB-Gruppe, die das Gebäude von der N-ERGIE gekauft hat, will dort Wohnungen bauen. Dabei zeigt die Bauherrin auf dem Gelände von Auto-Krauss schräg gegenüber, dass sie mit wertvoller Altbausubstanz umzugehen und die unter Denkmalschutz stehenden Bauten des Autohauses in ihre Planung einzubeziehen versteht. Wieder einmal gelingt dies nicht, weil das Gebäude nicht unter Denkmalschutz gestellt wurde!

Denn ein bedeutsames Denkmal ist das FÜW-Gebäude aus unserer Sicht in jedem Falle: Neben seiner architekturhistorischen Bedeutung als Inkunabel des Bauhauses in Nürnberg besitzt das Bauwerk stadt- und industriegeschichtliche Bedeutung als repräsentative Zentrale eines der ersten großen Unternehmen der Energieversorgung in Bayern. Mit ihrem charakteristischen Treppenturm, den sanft geschwungenen Fassaden und Fensterbändern stellt es einen wichtigen städtebaulichen Fixpunkt an einer der großen südlichen Einfallstraßen Nürnbergs dar. Nicht umsonst bezeichnete die zeitgenössische Presse – ganz im Gegensatz zu den oft angefeindeten anderen Großbauten des Bauhauses in Nürnberg – das FÜW als „Bereicherung für das Stadtbild“.

Die elegant geschwungenen Raumkanten mit der dominanten Eckbetonung durch den Treppenturm wurden zwar im Laufe der Zeit durch verschiedene An- und Umbauten beeinträchtigt; dennoch sind die städtebauliche Prägung und viele Details erhalten geblieben. Diese kann man nun bei richtigem Verständnis für die Stärke der Architektur wieder akzentuieren und damit eine Besonderheit im Stadtbild wiederbeleben. Das Treppenhaus mit seiner zeitgenössischen Ausstattung aus Jura-Marmor, das ausdrucksstarke Fassadenrelief des Nürnberger Bildhauers Johannes Müller und selbst die Eingangstüren der 1930er Jahre sind erhalten. Sie böten der Stadt Nürnberg gemeinsam mit einem Immoblienentwickler die Chance, an einer städtebaulich bedeutenden Stelle unter Beweis zu stellen, dass man mit baukulturellen Zeugnissen auch außerhalb der Altstadt würdevoll umzugehen versteht.

Das Hauptportal des Fränkischen Überlandwerks an der Baaderstraße ist noch heute im Zustand von 1931 erhalten. Foto: Boris Leuthold

Wir, die Stadtbild-Initiative Nürnberg, halten das FÜW für ein wichtiges architektonisches Zeugnis von Denkmalqualität. Damit stehen wir nicht allein da: Verschiedene Publikationen über die Nürnberger Architekturlandschaft – darunter der Katalog „Architektur Nürnberg. 1904–1994“ des Museums Industriekultur – weisen den Komplex als bedeutsamen Teil unseres baukulturellen Erbes aus. Die Nachricht über den drohenden Abbruch berührte viele Menschen in den sozialen Netzwerken, Menschen, die das FÜW als Teil ihrer Stadt und als Teil ihres persönlichen Lebensweges kennen und schätzen gelernt haben.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege beurteilt die Bedeutung des FÜW jedoch anders, obwohl zahlreiche fachliche Argumente für einen Denkmalschutz sprechen. Wir wünschen uns daher, dass durch die Denkmalpflege auch städtebauliche Aspekte epochenübergreifend mehr Würdigung erfahren und das vielfältige, authentische Stadtbild Nürnbergs für die Zukunft erhalten bleiben kann.

Trotz späterer Veränderungen ist der Bauhausklassiker FÜW noch heute erkennbar – und unbedingt erhaltenswert. Foto: Boris Leuthold

Aufgrund des öffentlichen Interesses, im Sinne des Erhalts einer vielfältigen Baukultur und der Bedeutung des FÜWs fordern wir, die Stadtbild-Initiative Nürnberg:

  1. dass die Stadt Nürnberg alle Anstrengungen unternimmt, auf den Erhalt dieses Denkmals hinzuwirken. Die Stadt hat die Verpflichtung, den Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu dienen, dies umso mehr, als es sich beim FÜW um ein Gebäude handelt, das sich zuletzt im Eigentum der kommunaleigenen N-ENERGIE befunden hat.
  2. dass die KIB-Gruppe den Außenbau, den Bauschmuck und das Treppenhaus des Verwaltungsgebäudes des Fränkischen Überlandwerks in vollem Umfang bewahrt.
  3. dass das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Denkmalwürdigkeit des FÜW nochmals überprüft und ein allen fachlichen Anforderungen und Formalien genügendes Gutachten dazu vorlegt.

Es ist unsere Pflicht darauf aufmerksam zu machen, wenn Wertvolles und Identitätstiftendes, das unseren Alltag und die Lebensgeschichten unserer Gemeinschaft prägt, geopfert wird für vorübergehende betriebswirtschaftlichen Interessen Einzelner. Insbesondere der ressourcensparende Umgang mit unserem überlieferten Baubestand, der bereits gebauten Stadt, ist vor dem Hintergrund aktueller gesamtgesellschaftlicher Herausforderung von besonderer Dringlichkeit. Die KIB-Gruppe wirbt mit dem Slogan „Unsere Leidenschaft – Immobilien für Menschen.“ Nun hat das Unternehmen die Chance zu beweisen, dass es diesen Leitgedanken ernst nimmt, indem es etwas tut für die Menschen in Nürnberg – indem es ein Stück gebaute Geschichte erhält und zu neuem Leben erweckt. Wir würden uns freuen, einen Bauherrn in unserer Stadt zu wissen, der sich in anerkennenswerter Weise von der Maße der Mitbewerber abhebt und Baukultur zu seiner Mission macht.

Pressegespräch zum Bahnhof Märzfeld

Bei einem Pressegespräch am 18. April 2018 präsentierte die Stadtbild-Initiative Nürnberg Vorschläge der Landschaftsarchitektur-Studentin Charlotte Soppa (Hannover/Berlin) aus ihrer Bachelor-Arbeit zu einer angemessenen Gestaltung des Bahnhofes Märzfeld. Siehe die Berichte hierzu in den NN und der NZ. Eine Kurzfassung der Vorschläge finden Sie hier.

Ausstellungs-Dokumentation zu den Umladehallen am Südbahnhof jetzt erhältlich

Im Februar startete unsere Ausstellung „Vergessen im Süden – Die Umladehallen am Nürnberger Südbahnhof“ im Museum Industriekultur in Nürnberg. Die Ausstellung ist inzwischen zu Ende gegangen. Das Interesse war erfreulich groß.

Nun liegt uns die Dokumentation der Ausstellung in gedruckter Form vor – eine Vorschau finden Sie hier. Auf 84 Seiten werden in Vier-Farb-Druck das gesamte Bildmaterial der Ausstellung, alle Pläne und Texte plus zusätzliche zusammenfassende Erläuterungen präsentiert. Sie können die Dokumentation erwerben gegen Entrichtung einer Schutzgebühr von 7 €  (plus Versandkosten von 1,80 € ) je Exemplar (bei mehreren Exemplaren geringere Versandkosten pro Exemplar). Schicken Sie bitte  Ihre Bestellung über kontakt@stadtbild-initiative-nuernberg.de unter Angabe Ihrer Adresse. Wir informieren Sie dann über die Bankverbindung, auf die das Geld zu überweisen ist.

Auch der Nachdruck der Masterarbeit von Jan Müller ist noch erhältlich: „Urbane Ressourcen – Reaktivierung der ehemaligen Güterumladehalle Nürnberg“ (Nürnberg 2016). Die Masterarbeit haben wir in Teilen in der Ausstellung zeigen können. Sie können den Nachdruck zu einer Schutzgebühr von 5 €  (plus Versandkosten von 1,80 € ) auf dem gleichen Weg wie die Dokumentation bestellen. Falls Sie beides (Dokumentation und Nachdruck) bestellen, reduzieren sich die Gesamt-Versandkosten ein wenig.

Fassadenmalereien am Bleiweißbunker verschwinden

Ein stadtbildprägendes Bauwerk im Nürnberger Süden verliert sein Gesicht: Der Hochbunker an der Augustenstraße in Bleiweiß wurde 1941 errichtet. Die trutzigen, meterstarken Betonmauern versah man mit Walmdächern, um den Bau beim Blick aus der Luft als normales Wohngebäude zu tarnen. Die kahlen Außenmauern bereicherte der Nürnberger Künstler Wolfgang Harms 1987 mit einer fantastischen Illusionsmalerei mit Architekturmotiven der Antike.

Nun lässt ein privater Investor, der der Bunker bereits vor Jahren aus dem Besitz des Bundes ersteigert hat, umbauen. Mauerdurchbrüche zerstören die beliebten Malereien und damit den Charakter eines Bauwerks, das sich vom „schwierigen Denkmal“ der NS-Zeit zu einem Wahrzeichen des Stadtteils Bleiweiß gemausert hat. Eine etwas überlegtere Planung und ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Bauwerk und seiner beeindruckenden Fassadenkunst wäre wünschenswert – vor allem mit Blick darauf, dass der Bunker in Zukunft einen Kinderhort beherbergen soll. Wieso vernichtet man hochwertige, noch dazu humorvolle Fassadenkunst, die auch und gerade die kleinen Bürger mit ihren wachen Augen für die Details der Welt zu schätzen wüssten?

Der Baukunstbeirat kritisierte die Vorgänge auf seiner Sitzung im letzten September deutlich, auch deshalb, weil die Stadt Nürnberg und damit wir Bürgerinnen und Bürger die Malereien einst mit 120.000 D-Mark finanziert haben (Fotos: © Boris Leuthold).

Presseinformation zur Eröffnung der Ausstellung „Vergessen im Süden“

Heute wurde die Ausstellung „Vergessen im Süden. Die Umladehallen am Nürnberger Südbahnhof“ im Museum Industriekultur eröffnet! Lesen Sie hier die Handreichung, die heute im Rahmen der Eröffnung an die anwesenden Vertreter der Presse ging.

Außerdem gibt es hier die Eröffnungsvorträge von Elmar Hönekopp, Wolf Hergert und Brigitte Sesselmann zum Nachlesen.

 

Ausstellungsankündigung

Vergessen im Süden
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Umladehallen am Nürnberger Südbahnhof

Eine Ausstellung der Stadtbild-Initiative Nürnberg im Museum Industriekultur
15. Februar bis 22. April 2018

In Kooperation mit:
BauLust e.V., BUND Naturschutz Kreisgruppe Nürnberg Stadt, Geschichte Für Alle e.V., Martin Kopp und Georg Lang  (Fotografen), Jan Müller, M.A. (Architektur), Nürnberg – Stadtbild im Wandel

Lesen Sie hier die offizielle Broschüre zur Ausstellung!

 

Dokumentation zur Siedlung Schillingstraße erschienen

Der Verein Geschichte für alle e. V., Kooperationspartner unserer Initiative, hat auf Betreiben der Stadtbild-Initiative Nürnberg und im Auftrag der WBG eine Dokumentation zur abgebrochenen Siedlung Schillingstraße herausgegeben. Wer mehr über eine der frühesten sozialen Wohnungsbauprojekte in Nürnberg erfahren möchte, kann das mit historischem und aktuellem Bildmaterial reich ausgestattete Werk von Magdalena Prechsl und Bernd Windsheimer hier herunterladen.