Stadtbild-Initative für den Erhalt der Siedlung Schillingstraße

Die Stadtbild-Initiative Nürnberg tritt für den Erhalt der Siedlung Schillingstraße in Hummelstein ein, die die WBG für einen Neubau abbrechen will. Hier unsere drei Thesen für den Erhalt des Ensembles:

Stadtbildinitiative Nürnberg                                                                  4. September 2014

Drei Thesen für den Erhalt des Ensembles Siedlung Schillingstraße
zum Pressgespräch am 4. September 2014, 11 Uhr, in Nürnberg, Galvanistraße 58

(Handreichung)

„Zukunft und Erfolg brauchen Vergangenheit“

Unter dieses Motto stellte die Wohnungsbaugesellschaft Nürnberg (WBG) 2008 stolz ihre Festschrift zum 90jährigen Firmenjubiläum. Acht Jahre später droht der Verlust eines wichtigen Teils dieser Vergangenheit – der 1919 bis 1920 erbauten Siedlung an Schilling-/Sperber-/Pillenreuther und Galvanistraße (im Folgenden „Siedlung Schillingstraße“ genannt). Geht es nach den Ergebnissen des Architekturwettbewerbs „Europan 12“, soll sie einer hochverdichteten Neubebauung weichen. Die Stadtbildinitiative Nürnberg hält den Abriss der Siedlung aus sozialen, städtebaulichen und stadtgeschichtlichen Gründen für verfehlt. Stattdessen fordern wir eine Sanierung unter Erhalt und Aufwertung des Ensembles. Die Anlage hat das Potential, den heutigen Bedürfnissen angepasst zu werden und sich damit zu einem zukunftsweisenden Modell für Nürnbergs Umgang mit historischer Wohnsubstanz und städtebaulich markanten Ensembles zu entwickeln. Dazu haben wir auf Basis des Leitgedankens der WBG drei Thesen entwickelt:

1. Denkmal der Vergangenheit: Die Siedlung ist von hoher architektonischer, historischer und städtebaulicher Bedeutung.

Die Wohnanlage Schillingstraße ist ein Zeugnis des Reformwohnungsbaus. Sie ist Teil einer Kette aus Siedlungen – darunter Gartenstadt, Werderau, Rangierbahnhof, Loher Moos und Fliegersiedlung–, mit denen Stadt, Genossenschaften und Unternehmen der Wohnungsnot vor und nach dem Ersten Weltkrieg begegneten. Mit dem Abbruch verlöre diese Kette ein wichtiges Glied. Sowohl die Nürnberger Altstadt in ihrer Komplexität als auch die Gründerzeitviertel werden, bezogen auf ihre spezifische Wohnqualität und ihren Stellenwert in der Stadtgeschichte, in der Öffentlichkeit als selbstverständlich erachtet. Aber auch die Siedlungen des frühen 20. Jahrhunderts, die aus der sozialen und politischen Aufbruchstimmung hervorgingen, sind ein wesentlicher Baustein der Stadtentwicklung. Dass sie bisher in ihrer Gesamtheit nicht nur so wenig Resonanz fanden, sondern nun auch dezimiert werden sollen, weist auf ein bemerkenswertes Defizit in der Auseinandersetzung mit der baulichen Erinnerungskultur unserer Stadt Nürnberg hin. Andernorts, etwa in München oder Erlangen, genießen solche Siedlungen längst Denkmalschutz, in Berlin sind sie seit 2008 sogar Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Immerhin, das Interesse wächst: Bereits über 300 Menschen haben eine Petition gezeichnet, die die Aufnahme des Ensembles Schillingstraße in die Bayerische Denkmalliste fordert.

Dem revolutionären Konzept der „Gartenstadt“ von Ebenezer Howard folgend förderten die Siedlungen den Gemeinschaftssinn der Bewohner und boten ihnen Licht, Luft und Kontakt zur Natur mit Gärten, die sie nach dem Selbsthilfeprinzip für Gartenbau und Erholung nutzten. In der im Zweiten Weltkrieg sehr stark zerstörten Südstadt ist die weitgehend intakte Siedlung mit ihren behutsamen Wiederaufbauten der 1950er Jahre ein „Fenster in die Geschichte“. Als zweites Siedlungsprojekt in der Historie der WBG ist sie ein Stück Siedlungs- und Erinnerungskultur – nicht nur für die WBG, sondern für die Südstadt und ganz Nürnberg. Im Wechsel mit der höher verdichteten Bebauung in der Umgebung dokumentiert sie städtebauliche Entwicklungen, deren zeitgeschichtliche Brüche das Stadtbild beleben und inzwischen dessen Charme ausmachen. In München-Haidhausen z.B. – einst „Glasscherbenviertel“ direkt neben repräsentativen Gründerzeitwohnblocks und Maximilianeum (Bayerischer Landtag) – haben gerade diese historischen Brüche maßgeblich dazu beigetragen, dass sich der Stadtteil zu einem beliebten und sozial diversen Quartier entwickelt hat. Auch in der Gestaltung der Fassaden mit ihren Rücksprüngen, den weiten Dachüberständen, den hohen Walmdächern und Details wie stuckierten Giebeln über den Eingängen – alles ganz im Sinne der Reformarchitektur der Errichtungszeit – drückt sich die städtebauliche Wirkung des Ensembles Schillingstraße aus. Die geplante Hochverdichtung der neuen Bebauung würde das inzwischen als malerisch gewertete Stadtbild an dieser Stelle zerstören.

2. Zeugnis für den Erfolg der WBG: Die Siedlung besitzt hohen Wohnwert.

Die Siedlung verfügt über ein stabiles Nachbarschaftsnetzwerk; die Langzeitmieter identifizieren sich mit „ihrer“ Siedlung. Abgesehen von der aktuellen Form der Kurzzeitunterbringung in einem Teil des Geländes findet man hier ein intaktes soziales Umfeld vor, ein Mikroabbild der diverskulturellen Südstadt. Eine hochverdichtete Neubebauung mit geplantem hohem Anteil an Eigentumswohnungen würde die kleinteiligen nachbarschaftlichen Strukturen, die die Identität der Siedlung und ihrer Bewohner prägen, zerstören. Die meisten Alteingesessenen würden entwurzelt, da sie sich Mieten oder gar Wohneigentum im Neubau nicht leisten könnten. Der Gentrifizierung würden Tür und Tor geöffnet. Durch eine solide Sanierung, die den finanziellen Möglichkeiten der Bewohner angepasst ist, würden die alten Strukturen bewahrt. Obwohl die WBG die Gemeinnützigkeit offiziell einbüßen musste, sollte sie den gemeinnützigen Gründungsgedanken nicht über Bord werfen. Ebenso wie die soziale Verantwortung gegenüber den Mietern und den Nürnberger Bürgerinnen und Bürgern ist die Gemeinnützigkeit wesentlicher Teil der Unternehmensidentität. Dies gilt genauso für die Stadt Nürnberg als einhundertprozentige Eigentümerin der WBG.

Die Wohnungsgrößen entsprechen der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt, auf dem es immer mehr Kleinsthaushalte mit ein oder zwei Personen gibt. Die Wohnungsschnitte können durch Herausnahme von Wänden optimiert und Einheiten zusammengelegt werden – so geschehen etwa in der Preussensiedlung in Berlin, deren Sanierung 2012 mit dem Landesdenkmalpreis ausgezeichnet wurde. Die Aufrüstung der Heizanlage mit Fernwärmeanschluss, die Erneuerung der Dachhaut und der Fenster würden den energetischen Standard ohne Schaden für das architektonische Erscheinungsbild erheblich verbessern.

3. Siedlung mit Zukunft: Das Ensemble Schillingstraße hat Entwicklungspotential – auch ohne Abriss und Neubau.

Anders als die WBG halten wir eine Instandsetzung aufgrund der gut erhaltenen Substanz und Bauqualität für realistisch. Die solide Ausführung der Gebäude und liebevolle Details wie Kunstschmiedegeländer an den Treppen und Stuckornamente an den Fassaden belegen dies. Wir schlagen vor, zur Instandsetzung einen spezialisierten Architekten zu benennen, etwa den auf die Sanierung von Siedlungsbauten spezialisierten Architekten Winfried Brenne. Im Rahmen eines Vorzeigeprojekts könnten die Bewohner in die Instandsetzung und gemeinschaftlichen Pflege der Häuser und Grünanlagen (Stichwort „Urban Gardening“) einbezogen werden – ganz im Sinne des Selbsthilfe- und Solidaritätsprinzips der Gründerjahre. Dadurch können die bestehenden sozialen Strukturen erhalten werden. Auch alternative und zukunftsweisende Wohnformen wie Mehrgenerationenwohnen sind vorstellbar.

Unser Plädoyer

Noch ist nichts verloren. Noch kann die WBG die Weichen neu stellen und dem Stadtbild ein Ensemble von städtebaulicher und sozialgeschichtlicher Bedeutung bewahren. Bei der Sanierung der 1918 bis 1922 erbauten Siedlung Ostendstraße hat die WBG jüngst gezeigt, dass sie ihre Tradition hochzuhalten weiß und im besten Sinne jener Gemeinnützigkeit, die ihre Identität ausmacht, handeln kann. Wir fordern die gleiche Chance für das Ensemble Siedlung Schillingstraße. Wir fordern eine Zukunft für unsere Vergangenheit.

Einige historische und aktuelle Bilder zum Ensemble

So sah es in den 30er Jahren aus:

Der Wiederaufbau der zwei durch Bomben zerstörten Häuser:

Heutige Situation:

Jugendstilperle unter Wasser

Wasserschaden im Jugendstilhaus Schoppershofstraße 51 – mit welcher Konsequenz?

An einem Sonntagmorgen Ende August 2014 stand das Haus Schoppershofstraße 51 buchstäblich unter Wasser: Unbekannte hatten sich Zutritt zu dem Haus verschafft, das wegen Sanierungsarbeiten derzeit leer steht, und alle Wasserhähne geöffnet. Das Wasser durchnässte die Wände und Zwischendecken – die „Standfestigkeit des Hauses“ schien gefährdet. Mit seiner Putzfassade in Jugendstilformen gehört Nr. 51 zu den prägenden Bauten der Schoppershofstraße, die sich im südlichen Teil ihren ursprünglichen Charakter mit Mietshäusern der Gründerzeit und grünen Vorgärten erhalten konnte.

Geplant und erbaut hat das Haus im Jahr 1907 der Baumeister und Architekt Johann Gottfried Merkl, der sein Büro in der nahen Bismarckstraße 14 hatte. Wie der Bauherr unserer Tage errichtete er das Haus als Investitionsobjekt, verkaufte die Wohnungen – damals je zwei pro Etage – jedoch nicht, sondern vermietete sie an Handwerker, kleine Beamte und Kaufleute wie Reinhard Lange, der 1912 ein Gewerbe als Zuckerwarenhändler anmeldete. Der Laden im Erdgeschoss, der im Zuge der Sanierung rückgebaut wird, bestand ursprünglich nicht, sondern wurde erst nach 1927 eingebaut. Wahrscheinlich ist zur gleichen Zeit der Vorgarten in eine Pflasterfläche umgewandelt worden. Ein Blumenladen und verschiedene Imbissbetriebe waren hier zuletzt Pächter.

Baumeister Merkl schmückte die straßenseitige Fassade des Gebäudes mit farbigen Putzstreifen, die die Fensterachsen und somit die Höhe des viergeschossigen Baukörpers betonen. Kleinteiliger Stuckdekor aus Bändern mit dem für den Jugendstil typischen „Peitschenschwung“, geometrischem Ornament, stilisierten Girlanden und Kränzen sowie Kartuschen in Halbkreis-, Palmetten- und Herzform über den Fenstern kontrastiert mit den umgebenden glatten Wandflächen. Nicht zuletzt dieser originelle Fassadenschmuck war es, der einige Erwerber maßgeblich in der Entscheidung beeinflusste, eine der Eigentumswohnungen zu erwerben, die der aktuelle Bauherr im Gebäude einrichtet. Auch der Investor scheint die Qualität der Fassade und ihren Wert für die Vermarktung erkannt zu haben, denn im Gegensatz zu den Hofseiten soll die Front nicht mit gedämmt werden. Nun bleibt zu hoffen, dass das über einhundert Jahre alte Haus trotz des beträchtlichen Wasserschadens gerettet und der Schoppershofstraße einer ihrer architektonischen Glanzpunkte erhalten werden kann. Zusätzlich würde ein Austausch der wohl in den 1960er-Jahren eingebauten ungeteilten Fenster durch solche mit Galgenteilung der Wirkung des Hauses sehr zugute kommen.

Literatur

Teilabbruch der ehemaligen Bärenschanzkaserne geplant

Lagebild:

In der Diskussion: Abriss von Roonstr. 22, Bärenschanzstr. 8a und 8c Copyright Bild: Google
In der Planung: Abriss von Roonstr. 22, Bärenschanzstr. 8c
Copyright Bild: Googlepräch am

Handreichung der Stadtbild Initiative Nürnberg zum

Pressegespräch am 31. Juli 2014, 11 Uhr,
zwischen den Gebäuden Bärenschanzstr. 8a und Roonstr. 22

Themen:
A. Erhalt des Ensembles Bärenschanze!
B. Gegen eine volkswirtschaftliche Vergeudung von Grund und Boden durch die bayerische Staatsregierung und wider eine Nicht-Respektierung kommunaler Planung durch bayeri-sche staatliche Behörden!

A.
Argumente
für eine Aufnahme des historischen Gebäudes Nürnberg, Bärenschanzstr. 8a als Einzeldenkmal in die Denkmalliste
und
für den Erhalt des Ensemblecharakters der noch bestehenden historischen Gebäude um das Kommandanturhaus (Bärenschanzstr. 8a, 8b, 8c)

1. Das historische Gebäude Bärenschanzstr. 8a (derzeit Amtssitz des Zentrums Bayern für Familie und Soziales)

1.1. Geschichtliche Bedeutung
Das Gebäude Bärenschanzstr. 8a ist heute zusammen mit seinen benachbarten historischen Bauten (Bärenschanzstr. 8b – Kommandanturhaus, 8c und 10 – Reithalle) ein letztes Zeugnis der früheren umfangreichen militärischen Anlagen vor den Toren der Stadt Nürnberg.
Schon vor dem zweiten Marktgrafenkrieg besaßen die Stadttore vorgelagerte Erdwerke. 1622 ließ die Reichsstadt Nürnberg ihre Vorstadt Gostenhof mit Wall und Graben sichern. Im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges versuchte der schwedische König Gustav II Adolf im Juli 1632vergeblich, die Vereinigung des kaiserlichen Heeres unter Wallenstein mit den bayerischen Truppen zu verhindern. Während Wallenstein sein Heer bei Zirndorf lagern ließ, besetzten die Schweden Positionen in und um Nürnberg. Zur Verteidigung der Stadt ließ Gustav Adolf vor der Stadt Verteidigungsanlagen errichten. So entstand die Bärenschanze als so genanntes Retranchement unter Zeugmeister Hans Carl. Die Schanzen bestanden bis 1820. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges baute die Stadt die Anlage um die Bärenschanze zur Kaserne um.

1.2. Künstlerische/architektonische Bedeutung
Das Gebäude Bärenschanzstr. 8a (Mannschafts- und Pferdehaus) wurde 1864 fertiggestellt. Es ist mit seinen bis zum Zweiten Weltkrieg erhaltenenTreppengiebeln an den beiden Seiten und über dem Treppenhaus ein für seine Zeit typisch historisierender Bau. Die historische Bausubstanz ist bis auf das zerstörte Dach im Wesentlichen erhalten, einschließlich der Pferdestallgewölbe im Erdgeschoss. Es ist der zentrale Bestandteil der wenigen noch erhaltenen Reste der alten Kasernenanlage.
Da das Dach aktuell in schlechtem baulichen Zustand ist und dringend renoviert werden muss, um das Gebäude vor einem Verfall zu bewahren, wäre es durchaus möglich, im Rahmen des Gebäudeerhalts es ohne große Zusatzkosten in der historischen Dachform (Treppengiebel an den beiden Seiten und über dem Treppenhaus) wieder aufzubauen bzw. in moderner Formensprache zu zitieren.

1.3. Städtebauliche Bedeutung
Abgesehen von seiner historischen Bedeutung stellt dieses Gebäude zusammen mit seinen historischen Nachbarbauten städtebaulich eine wichtige Insel innerhalb der in den letzten Jahrzenten durchgeführten Umgestaltungen dieses Gebietes dar. Es ist ein architektonischer Blickfang und Kontrast, mit seinen Grünanlagen ein kleiner Ruhepol und eine Aufforderung zum Nachdenken über die mehr oder eher weniger geglückten Verformungen in der Nachbarschaft über die Zeit hinweg.

2. Erhalt des Ensemblecharakters der noch existierenden historischen Gebäude um das Kommandanturhaus
2.1. Geschichtliche Bedeutung
Der monumentale Bau der ehemaligen Kavallerie-Kaserne Bärenschanzstraße 8a und der Nebengebäude ist, neben dem denkmalgeschützten 1721 errichteten ehemaligen Kommandantenhaus und der inzwischen für Wohnzwecke umgestalteten Reithalle der letzte Rest der Gostenhof/Kleinweidenmühle einst stadtbildprägenden Militärarchitektur.
Schon seit der Anlage des massiven Schanzwerks der Bärenschanze ab 1632, die zwar bereits um 1820 beseitigt wurde, deren Ausmaß durch die Gebäudelinien der zur Disposition stehenden Häuser 8a und 8c aber noch bis heute erkennbar ist, errichtete hier die Reichsstadt und später das Königreich Bayern einen ausgedehnten Kasernenkomplex, der als solcher bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges belegt war.
Von den 1848 bis 1890 in verschiedenen Bauabschnitten erstellten Gebäuden sind inzwi-schen die meisten verschwunden. So zum Beispiel die Reste der Kulturfeldkaserne, deren Remisenreihe erst vor kurzer Zeit einer Gewerbe- und Wohnbebauung weichen musste, das Garnisonslazarett und die Kasernenzeile an der Reutersbrunnenstraße. Besonders bedauerlich ist auch der ebenfalls erst in jüngster Zeit erfolgte Abriss der ehemaligen Offiziersspeiseanstalt an der Bärenschanzstraße, an dessen Stelle nun ein Parkhaus steht. Der Erhalt der klassizistischen Reithalle wurde zwar gewährleistet; durch den Umbau zu Eigenheimen hat das Gebäude allerdings nicht gerade gewonnen.

2.2. Städtebauliche Bedeutung
Das heutige „Ensemble“ Bärenschanze liegt ziemlich genau in der Mitte der ur-sprünglichen historischen Schanzanlage aus dem Dreißigjährigen Krieg und nimmt dabei tatsächlich auch einen größeren Teil der alten Schanzanlagenfläche ein. Es präsentiert somit den histori-schen Hintergrund in gewisser Weise auch heute noch. Eine angemessene Umgestaltung der Randbauten des im Zusammenhang mit den aktuellen Neubauplanungen des ZBFS (Entfernung des Parkhauses, Anpassung der Fluchtlinien des Neubaus) sollte die Grundfor-men der alten Schanzanlage wieder aufgreifen und damit die städtebauliche Bedeutung dieses Ensembles verstärken.

3. Schlussfolgerungen: Etappen der Stadtgeschichte – Neue Stadtkultur – Urbane Potentiale
Es ist deshalb das Anliegen der Stadtbildinitiative Nürnberg, den letzten Rest der erhaltenen ehemaligen Militärgebäude in ihrer auch heute noch beeindruckenden Größe als Ganzes erhalten zu wissen, um an ihnen wichtige Etappen unserer Stadtgeschichte ablesbar bleiben zu lassen. Es wäre geradezu ein Treppenwitz, wenn ausgerechnet das Land Bayern seine baulichen und historischen Spuren in der Nürnberger Stadtgeschichte zu beseitigen trachtet, noch dazu um an deren Stelle nichts anderes als ein weiteres Parkhaus errichten zu wollen.
Die vom Abriss bewahrten Gebäude des Ensembles Bärenschanze zeugen von der sich verändernden Stadtkultur, in der die Wertschätzung historischer Gebäude, des städtischen Grüns und das Bedürfnis nach Begegnungsräumen zunehmend die „Totale Autogesell-schaft“ ablösen.
Diese Erfahrung ermutigt auch unsere Stadtbild-Initiative, sich hier nicht nur für den Erhalt einzelner Gebäude, sondern für den besonderen Wert des gesamten Ensembles und seine bis heute noch wenig erschlossenen urbanen Potentiale einzusetzen. Allerdings scheint der Wert dieses Ensembles den Behörden noch nicht bewusst, da das Einklemmen der „geretteten“ Denkmäler zwischen Parkhäusern deren Aufwertung nicht zuträglich sein wird.

B. Gegen eine volkswirtschaftliche Vergeudung von Grund und Boden durch die bayerische Staatsregierung und wider eine Nicht-Respektierung kommunaler Planung durch bayerische staatliche Behörden: Chancen für ein exemplarisches fränkisch-bayerisches Projekt?

Immerhin konnte bisher schon durchgesetzt werden, dass das zwar nicht denkmalgeschützte, aber doch denkmalwürdige Gebäude Bärenschanzstr. 8a nach den jüngsten Aussagen des für dieses Objekt verantwortliche Staatliche Hochbauamt Erlangen-Nürnberg erhalten bleiben wird.
Dagegen soll das Gebäude Bärenschanzstr. 8c abgerissen und an seiner Stelle ein Parkhaus errichtet werden (siehe vorher). Über diese definitive Entscheidung der bayerischen Regierung und seines Staatlichen Hochbauamtes wurde der Baukunstbeirat auf seiner Sitzung am 10. Juli 2014 von der Stadtverwaltung informiert.
Die Stadtverwaltung hat bei diesen Planungen keine Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, da der bayerische Staat aufgrund der Rechtslage Planungen gegen die Kommune durchsetzen kann. OB Dr. Maly hatte deswegen am 27.1.2014 in einem Schreiben an Finanzminister Dr. Söder gebeten, die Planungen zu dem Neubau des ZBFS noch einmal zu überprüfen und insbesondere auch den Bau einer Tiefgarage in Erwägung zu ziehen, um auf diese Weise einen Erhalt des Ensembles zu ermöglichen. Finanzminister Dr. Söder hat dieses Schreiben an die für das ZBFS zuständige Arbeitsministerin Müller weitergegeben, mit der Maßgabe, dass eventuelle Einsparungen durch eine andere Bebauung (Tiefgarage anstelle von Parkhaus und dadurch erzielbare Veräußerungserlöse) nicht projektbezogen zur Verfügung stünden. StMinisterin Müller hat dies in ihrem Antwortbrief vom 2.5.2014 an Dr. Maly ausdrücklich erwähnt.
Ein solches engstirnig haushälterisches Verhalten des Finanzministeriums widerspricht allen vernünftigen volkswirtschaftlichen Überlegungen. Wertvolle innerstädtische Bauflächen werden auf diese Weise vergeudet. Der bayerische Staat würde durch eine andere Bebauung (Tiefgarage und Überbauung durch Wohn- und/oder Büroflächen) letztlich Einnahmen erzielen, die deutlich über die engeren Mehrkosten einer Tiefgaragenerrichtung hinausgingen und insgesamt günstiger wären als eine Parkhausbebauung.
Wir appellieren daher an Herrn Finanzminister Dr. Söder, das volkswirtschaftlich sinnlose Verhalten seines Hauses in solchen Fragen zu ändern und hier auch andere Möglichkeiten als nur auf den ersten Blick billigeres Bauen von Parkhäusern zuzulassen.
Das in Nürnberg neu etablierte Heimatministerium könnte hier außerdem am authentischen Ort den vorbildlichen Umgang mit fränkisch-bayerischer Militärgeschichte vor Augen führen und zeigen, was „behutsame Stadterneuerung“ im Ensemble und/ oder „kritische Rekonstruktion“ des Gebäudes (z.B. den Giebel betreffend) im Kontext der Erinnerungskultur leisten kann. Die noch vorhandenen baulichen Zeugnisse des Militärareals dokumentieren trotz diverser Verbauungen die Entwicklung der ehemaligen Garnisonsstadt Nürnberg vom Dreißigjährigen Krieg bis zum 19. Jahrhundert.
Eine eventuell sinnvolle Tiefgaragenlösung wäre an der Ecke Roon-/ Bärenschanzstraße möglich. Dies würde dann auch den Abriss des derzeitigen privaten (und etwas marode erscheinenden) Parkhauses an der Bärenschanzstraße mit sich bringen, das derzeit den Blick auf das Gebäude Bärenschanzstr. 8a verwehrt. Dazu müsste aber eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Bauträgern erreicht werden. Hier wiederum könnte die Stadtverwaltung hilfreich moderieren.
Mit den Planungsänderungen während der vergangenen Monate wurde zugleich ein Dilemma deutlich. Zwar wurde der geplante Abriss revidiert, der Bau des Parkhauses jedoch nur verschoben und auf das Gelände des daneben zum Abriss freigegebenen Gebäudes 8c verlagert. Die „geretteten“ Gebäude stünden dann eingeklemmt zwischen Parkhäusern. Damit wäre das gesamte Ensemble zerstört. Da hier möglicherweise aus Unkenntnis der örtlichen Lage , aber auch eindeutig gegen kommunale Interessen Maßnahmen beschlossen wurden, die sich gegenseitig ad absurdum führen, besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich einer Neuregelung der Zuständigkeiten zwischen Kommunen und Staatsregierung. Der Bayerische Städtetag und die Landtagsfraktionen müssten hier dringend aktiv werden.

Bilder, Karten, Baupläne

Historische und aktuelle Planauszüge

Ausgewählte historische Bilder:

Spittlertorgraben mit Bärenschanzkaserne im Hintergrund 1865,  aus: Schmidt, Ferdinand, Nürnberg 1865 – 1909, Hrsg. vom Centrum für Industriekultur, München 1987
Spittlertorgraben mit Bärenschanzkaserne im Hintergrund 1865,
aus: Schmidt, Ferdinand, Nürnberg 1865 – 1909, Hrsg. vom Centrum für Industriekultur, München 1987

Ausgewählte aktuelle Bilder:

Abriss der Pinselfabrik droht

Von der ehehemaligen Pinselfabrik (Veillodterstraße 1) gleich an der Stadtmauer blieb lediglich das Büro-und Wohngebäude stehen, das allerdings im Krieg völlig ausbrannte. Dennoch sind die ursprüngliche Kubatur und die erhaltene Fenstergliederung ausgesprochen erfreulich anzusehen. Mit seinem Doppeltreppenaufgang, der Lage im Wallhang und dem gepflasterten Hof ist es eine Insel zwischen den Gebäuden der Umgebung. Es ist das in diesem Bereich der Stadtmauer bzw. des Burggrabenwalls  einzig erhaltene Gebäude der früheren Bebauung. Derzeit ist es noch voll belegt durch Architekurbüros und andere Dienstleister. Außerdem sind dort Werk- und Seminarräume des Theaters Pfütze untergebracht.

Vernichtet: Altes Landeskirchliches Archiv

Schnelles Ende für ein bedeutendes Baudenkmal der Nachkriegszeit: Innerhalb kürzester Zeit machten Baggerschaufeln das alte Landeskirchliche Archiv an der Veilhofstraße 28 dem Erdboden gleich. Als Werk von Wilhelm Schlegtendal, dem Schöpfer des Plärrerhochhauses, war das 1955 eingeweihte Haus ein eingetragenes Einzeldenkmal.

Die Öffentlichkeit wurde über den Vorgang nicht informiert. Ein weiteres Zeugnis der Wirtschaftswunderzeit in Nürnberg ist damit für immer verloren.

Das Gebäude war seit Jahren für die Lagerung und Benutzung der Schätze des Archivs nicht mehr ausreichend, weshalb in der Nachbarschaft ein Neubau entstand. Ob man aber nicht eine andere sinnvolle Nutzung hätte finden können, wenn man nur hätte wollen? Uns wurde zugetragen, dass auf dem Abbruchgelände nun Eigentumswohnungen entstehen sollen. Ansgesichts des unverbaubaren Blickes auf den Wöhrder See werden es nicht die günstigsten sein.

Pressespiegel: Siedlung Schillingstraße

Dieter Wegener: Ensemble soll verschwinden – Protest gegen Abriss in der Schillingstraße bleibt wohl erfolglos. In: Nürnberger Zeitung, 31. März 2015.

Lisa Vogel: Hummelstein: Mieter machen gegen Kündigung mobil. In: Nürnberger Stdtanzeiger Süd, 5. November 2014.

Wider den Abriss eines historischen Wohnblocks. In: Plärrer, November 2014. S. 66.

Mieter contra WBG. Frankenfernsehen, 10. September 2014 (0:35 Min.; als Ort ist fälschlich Erlangen statt Nürnberg angegeben).

Volkan Altunordu: Experten wollen das Ensemble in der Südstadt erhalten. In: Nürnberger Stadtanzeiger Süd, 10. September 2014.

Andreas Franke: WBG: Wohnungsbau sorgt für Ärger. In: Nürnberger Nachrichten, 10. September 2014.

Volkan Altunordu: Historische Wohnanlage findet Fürsprecher. In: Nürnberger Nachrichten, 8. September 2014.

Volkan Altunordu: Widerstand gegen wbg-Abrisspläne wächst. In: Nürnberger Nachrichten, 13. August 2014.

Silke Roennefahrt: Kontroverse Diskussionen um wbg-Projekte in Nürnberg. In: Nürnberger Nachrichten, 7. Juni 2014.

Andreas Kirchmayer: wbg präsentierte Wettbewerbs-Sieger für neues Quartier in Hummelstein. In: Nürnberger Stadtanzeiger Süd, 26. Mai 2014.

Reinhard Schmolzi: Der Kommentar: Einfache Lösung. In: Nürnberger Nachrichten, 5. April 2014.

Reinhard Schmolzi: Hummelstein: Wbg hält an Abrissplan fest. In: Nürnberger Nachrichten, 5. April 2014.

Schmuckstück gerettet – Bilder-Rätsel des Stadtanzeigers suchte ehemaliges MAN-Arbeiterhaus. In: Nürnberger Nachrichten, 9. Januar 2013 (Artikel zu den vergleichbaren Arbeiterhäusern Pillenreuther Straße 143–147 gegenüber der Siedlung Schillingstraße, die im Gegensatz zu dieser mustergültig restauriert wurden).